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Freitag, 05 Dezember 2014 12:55

Der Samichlaus belebt die Winterschifffahrt

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Sechs Sonderschiffe* verliessen heute Freitag Luzern Richtung Küssnacht, wo 30 000 Zuschauer erwartet werden. Beim grössten Klausumzug der Schweiz machen 1500 Akteure mit. Seit Jahren wird die Anfahrt via Seeweg in den Küssnachterarm geschätzt, weil es dabei weder Parkplatz- noch Promilleprobleme gibt. Der Event kann zudem mit einem Fondueplausch bereichert werden. Der Brauch des Klausjagens geht ins Mittelalter zurück. Mit Lärm werden Dämonen verjagt. Die Kirche sah darin etwas Heidnisches und bekämpfte über Jahrhunderte diesen Brauch. Die ersten schriftlichen Quellen aus Küssnacht berichten 1732 von einem „Ärgernis Hornblasen und Tricheln“, noch 1914 kämpfte der dortige Pfarrer gegen das unchristliche Treiben. 1928 kam es dann zu einer Annäherung, in dem zum einen die Lärminstrumente auf Hörner, Treicheln und Geisseln reduziert wurden (ohne Pistolen, mit Steinen gefüllte Milchkannen usw...) und zum andern zusätzlich ein Heiliger, der etwa zeitgleich den Gedenktag hatte, ins Geschehen integriert wurde - die Figur St. Nikolaus taucht erstmals in diesem alten Brauch auf. Und die Iffelen (Infuln), die schon seit dem Mittelalter Licht in die nächtlichen Gassen brachten, wurden nun zu einer Kunstform erhoben und als Mitra (Bischofshut) interpretiert.

Nikolaus von Myra wirkte im 4. Jahrhundert als Bischof in der Region Lykien (heute Türkei), erbte in jungen Jahren ein grosses Vermögen seiner Eltern und verteilte dieses dann. Er starb am 6. Dezember 340. Er ist einer der bekanntesten Heiligen der Ost- und lateinischen Kirche. In Seenot geratene Schiffsleute riefen später nach der Legende in einer gefährlichen Lage den heiligen Nikolaus an. Ihnen erschien ein mit Wunderkräften ausgestatteter junger Mann und übernahm das Steuer, setzte die Segel richtig und brachte den Sturm zum Abflauen. Daraufhin verschwand er wieder im Meer. Deshalb ist St. Nikolaus unter anderem** der Schutzpatron der Seefahrer, Binnenschiffer und Händler geworden. Wäre es nicht Nacht würden die fast 2000 Fahrgäste der SGV-Schiffe auf der kleinen Insel bei Meggenhorn eine Kapelle sehen, die dem heiligen Nikolaus geweiht ist.

Der Samichlaus besucht fast jeden See: auf dem Zuger- und Greifensee gibt es Chlausfahrten, auf dem Bodensee gleich an drei Sonntagen. Erstmals in diesem Jahr war ein Chlausschiff auf dem Brienzersee unterwegs: Am Wochenende vom 29./30. November fuhr MS Iseltwald von Interlaken über die Seedörfer nach Brienz Dorf zum berühmten Weihnachtsmarkt. In Oberried stieg dann der Samichlaus und Schmutzli ein und beschenkte an Bord die Kinder mit Nüssen und Mandarinen. Der Samichlaus hatte einen langen Weg hinter sich: er kam von Arth am Zugersee hergereist. Und er hatte viel zu tun – der eigens für ihn von der BLS bereitgestellte goldene Stuhl ging im Gedränge unter. Über 120 Fahrgäste nahmen allen an der ersten Fahrt teil, was alle Beteiligte überraschte. Auch der Leiter Stab, Kundenservice und Qualität Andreas Häsler, selber an Bord um sich ein Bild zu machen, war über die Frequenz positiv überrascht. Wird es im kommenden Jahr wieder Weihnachtsmarktschiff geben? Häsler: „Wir sind mit den Veranstaltern in Kontakt und werden im Frühling entscheiden, ob und zu welchen Konditionen ein Schiff zum Weihnachtsmarkt fahren wird.“

Sympathisch: alle Billette waren gültig und es gab ein kleines Gastroangebot mit Suppe und Wurst sowie Getränke aller Art. Der Brienzer Weihnachtsmarkt übrigens ist sehenswert; er hebt sich mit seinen stark lokal-geprägten Ständen wohltuend ab vom 0815-Angebot der zahlenmässig inflationär gewordenen Weihnachtsmärkte landauf landab. Mit Blick auf das österreichische St. Wolfgang, das ihre Schafbergbahn in den Weihnachtsmarkt einbezieht, bestünde eine weitere Attraktionssteigerung, die Brienzer Dampfbahn an diesem Wochenende fahren zu lassen. Wie beim Angebot „Salon Rouge“  könnte die Dampfbahn bis zur Ausweichstelle Geldried (1024 m.ü.M) fahren, wo Glühwein serviert und der spektakuläre Ausblick genossen werden könnte...

Eine spezielle Attraktion mit besonderer Atmosphäre: Erstmalig fährt ein Schiff zum Weihnachtsmarkt Brienz. Hier legt die „Iseltwald“ in Oberried an und nimmt den Samichlaus an Bord. Die niedrige Raumhöhe ist für den Samichlaus mit seiner Mitra eine besondere Herausforderung. Fototermin auf dem Aussendeck: Winterschifffahrten sind mit und ohne Samichlaus ein Erlebnis. (Text und Fotos H. Amstad)

*) Es waren dies die Schiffe Europa, Gotthard, Schwyz, Weggis, Brunnen und mit 60 Personen die „Mythen“.

**) Nikolaus ist unter anderem auch der Schutzpatron der Russen, Kroaten und Serben sowie der Regionen Süditalien und Lothringen. Ausser für die Seefahrer ist er Patron von weiteren Berufen wie Kaufmann, Rechtsanwalt, Apotheker und Bäcker, Schneidern und Küfern. Nikolaus ist weiter der Schutzpate der Schüler und Studenten, Pilger und Reisenden, Liebenden und Gebärenden, der Alten und Kinder, aber auch von Dieben, Gefängniswärtern, Prostituierten, der Gefangenen und der Metzger. Aus dem Schutzpatronat für die Kinder leitet sich das heutige Brauchtum des Chlausjagens ab. (Quelle Wikipedia)

Tipp: Auch wenn die Brienzersee-Schifffahrt im Winter eigestellt ist lohnt sich ein Besuch in Interlaken-Ost: während dem ganzen Winter dient die „Jungfrau“ als Gastro-Schiff (sonst MS Brienz, dieses Jahr aber in Revision in der Werfthalle). Ich kann die Küche bestens empfehlen.

Quellen: „Beggerieder Samichlas, einheimisches Brauchtum seit 1935“ 2005. „Mit Licht und Lärm durch die Klausnacht“, NZZ 283 S. 55 vom 5.12.2014.

 

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