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Sonntag, 14 Dezember 2014 21:42

Reisebericht: Bodensee-Adventsfahrt mit MS Arbor Felix

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Seit 70 Jahren hat der Bootsoldtimer Arbor Felix den Heimathafen Arbon am Bodensee. Omen est nomen: Arbor Felix (lateinisch „der glückliche Baum“) ist die Bezeichnung von Arbon unter dem römischen Reich. 1934 gab der eingewanderte Berliner Gustav Zels der Werft Vogt-Gut in Arbon den Auftrag, ein neues Schiff nach den Plänen von MS Mars zu bauen. Dieses 1922 in Berlin-Spandau von der Ehrhardwerft konstruierte Schiff liess er nach Arbon transportieren. Vogt-Gut hatte kurz davor 1932/33 die erste Zürichsee-Autofähre Schwan erbaut. Der Bootsverleih-Betrieb Zels unterhielt mit beiden Schiffen bis in die Siebzigerjahre an Sonntagen eine Kursschifffahrt zwischen Arbon und Rorschach. Nach dem Tod von Gustav Zels gab es zahlreiche Handänderungen, bevor dann 1993 die neu gegründete Zels AG unter Herbert Brunner das Schiff übernahm. Dieses Engagement war von kurzer Dauer. 1996 erwarb dann der heutige Besitzer Michael Popp die „Arbor Felix“ und ab nun hiess die Firma „Arbor Felix Schifffahrt“. Er restaurierte das Schiff grundlegend und rettete es damit der Nachwelt. „Das erste Mal war ich 1991 bei einem Betriebsausflug auf dem Schiff und schloss es gleich ins Herz“, erklärt Michael Popp den Beginn seines Schiffer-Standbeines. Als Schlosser und ehemaliger SBS-Schiffsführer steuert Popp die „Arbor Felix“ nun seit 18 Jahren auf konstantem Kurs. Das Schiff ist allerdings nur auf Bestellung zu chartern; öffentliche Fahrten macht Popp zur Zeit keine mehr. Mit der Auslastung von rund 80 Fahrten zeigt er sich mit dem Geschäftsgang zufrieden*.

Die Reisegruppe der Schiffs-Agentur genoss am heutigen Sonntag das gut heizbare Schiff während insgesamt vier Stunden. Föhnige Wolken und angenehme Temperaturen sorgen für gute Sicht- und Rahmenbedingungen. Mit an Bord war auch Elisabeth Schnider aus Zug: „Ein eindrückliches Bild ergab die grosse Fischerbootgruppe beim Einlauf des Rheins in den Bodensee auf der Fahrt in die Bucht von Fussach. Die verschiedenen Stimmungen und winterlichen Lichtverhältnisse waren ebenfalls eindrücklich, eine tolle Fahrt bei guter Stimmung der Teilnehmenden.“ Sie war 1989 das letzte Mal auf der „Arbor Felix“, nämlich auf einer Fahrt von Rheineck über den Alten Rhein und den Bodensee nach Bregenz.

Ein weiterer Höhepunkt war zweifelsohne die Fahrt in das österreichische Naturschutzgebiet bei Fussach. Ganz zuhinterst in der Fussacher Bucht liegt das Werftgelände der Schiffswerft Fussach GmbH, wo seit fünf Jahren die einst stolze „Österreich“ abgestellt liegt. Längere Betriebsunterbrüche sind für die „Österreich“ nichts Neues. Bereits nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges stand das Schiff abgesehen von kriegsbedingten Einsätzen für 14 Jahre lang zwischen 1939 und 1953 still. Betriebliche Highlights hat der MS Österreich-Kenner Stefan Hellstern recherchiert: „Dazu gehört der Einsatz als Eisbrecher in den harten Wintern zwischen 1929 und 1934, das allererste Adventsschiff am 1. Dezember 1985 (seither meist MS Vorarlberg) und im Sommer 2006 die regelmässigen Kursfahrten auf den ‚GA-Kursen’ 301-304 in die Schweiz.“ Er war auch auf der letzten Fahrt am 4. Oktober 2009 an Bord. Das Schiff wurde wegen einer Sonderfahrt der MS Austria auf dessen Kursen 132, 427 bis 432 und 121 eingeteilt. Hellstern: „An diesem schönen Oktobersonntag ahnten nur ganz wenige, dass dies die letzte Fahrt des Schiffes sein würde.“

Nun besteht die Hoffnung, dass es doch nicht die letzte sein muss. Die Umweltbehörde Vorarlbergs hat der Vorarlberg Lines eine Frist bis Ende 2014 gesetzt, das Schiff entweder zu verschrotten oder zu sanieren. Unter diesem Druck hat sich nun der Verein „Freunde der MS Österreich“ formiert, der die Verschrottung verhindern und die vier Millionen Euro zur Restaurierung auftreiben will. Die Eigentümerin des Schiffes, die Illwerke und Vorarlberg Lines  sind nach Medienberichten nicht abgeneigt, nach erfolgter Restaurierung der „Österreich“ das Schiff wieder in ihre Flotte aufzunehmen. Bis es soweit ist braucht es wie in allen ähnlichen Fällen einen gewaltigen Durchhaltewillen des Initianten und pensionierten Unternehmers Jürgen Zimmermann. Nur schon die Hoffnung, dass dereinst die „Österreich“ in der historischen Gestalt der Zwanzigerjahre, wo das Schiff als Schmuckstück noch schöner als ein Salondampfer den Bodensee befuhr, dereinst wieder fahren könnte, ist für die Schiffsfans ein tolles Weihnachtsgeschenk!

Einfahrt der „Arbor Felix“ in den Hafen von Lindau, wo die Reisegruppe der Schiffs-Agentur den weihnachtlichen Markt besuchen konnte. Michael Popp am Steuer des 70-jährigen Motorbootes, rechts die Luke in den Maschinenraum. Blick in den Salon, der dank den seit 2002 eingebauten Doppelglas-Scheiben gute Sicht auf den Bodensee ermöglicht. Am heutigen 3. Adventssonntag treffen wir lauter Schweizer Schiffe an. MS Rhynegg macht einen Pendel zwischen Rorschach und Lindau und bringt auf der ersten Fahrt 147 Fahrgäste an den Weihnachtsmarkt (gestern musste aus Kapazitätsgründen gar die „Säntis“ eingesetzt werden). Und MS St. Gallen ist als beliebtes Adventsschiff unterwegs. Die "Österreich" wartet in der Bucht von Fussach auf den Entscheid: verschrotten oder restaurieren. Text und Bilder: H. Amstad

*) Technische Angaben Arbor Felix:

Länge 15.50 m, Breite 3.70 m, Tiefgang 1.0 m, Verdrängung 14 t, Fassungsvermögen 42 Personen (bis 1968 60 Personen), Essensplätze 30, Saurer CT3D 125 PS (3. Motor), Vmax 18 km/h

www.arbor-felix-schifffahrt.ch

Die Angaben sind aktualisiert und mit dem Eigentümer verifiziert; es entstehen dadurch Dfferenzen zu andern bereits publizierten Angaben.

 

 

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