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Montag, 19 Januar 2015 21:45

Reisebericht: Winterfahrt auf dem Hochrhein mit imposanter Schleuse als technisches Denkmal

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Schiffsliebhaber wissen es bereits: Winterschifffahrten sind etwas Spezielles. Zu aussergewöhnlichen Erlebnissen werden sie, wenn es eine unbekannte Schifffahrt zum Entdecken gibt. Kurz vor 12 Uhr besammelten wir uns beim Bahnhof Laufenburg, der Endstation der S1 Basel – Laufenburg. Auch mit verschiedenen Postautokursen ab Frick, Döttingen oder Brugg erreicht man das Habsburger Städtchen, das erst durch Napoleon 1802 geteilt wurde. Das linksrheinische Laufenburg wurde dem neu gegründeten Kanton Aargau zugeordnet, der nördliche Teil unterstand fortan dem Grossherzogtum Baden. Obschon beide Orte weniger als 10 000 Einwohner haben, erhielten sie von den Habsburgern das Stadtrecht, da sie sich hier auf beiden Seiten des Hochrheins ihre strategische Stellung aufbauten.

Schiffsführerin Silvia Blaser weiss als Wirtin vom Hotel Bahnhof Laufenburg, was eine gute Gastgeberin ausmacht: Ein netter Apéro erwartete unsere Reisegruppe, während sie das MS Stadt Laufenburg flussaufwärts steuerte und interessante Erklärungen abgab. Das Schiff hatte Volllast und die 50 kW Leistung des Volvo Penta-Motors reichten gegen den Strom bloss für ein gutes Wandertempo. Jener Teil der Reisegruppe, der auf dem ersten Schiff keinen Platz mehr fand, spazierte in der Zwischenzeit vom schweizerischen zum deutschen Städtchen Laufenburg. Auf der deutschen Seite dann erfolgte nach eine Stunde der Schiffswechsel. Davor und danach gab es kurze Parallelfahrten für die Fotografen unter uns mit der seltenen Gelegenheit, beide Laufenburger Fahrgastschiffe vereint fotografieren zu können.

Auf dem MS Löwen von Laufenburg begrüsste uns Kapitän Jürgen Schroff mit seiner Vierer-Crew nun zur zweistündigen Schleusenfahrt rheinabwärts. Die erste halbe Stunde war dann die spannendste des Tages; zum Glück wurde das reichhaltige Vorspeise-Buffet erst nachher eröffnet. Gleich nach dem Ablegen bewunderten wir die gut erhaltene Substanz der zwei Altstädte und passierten nach der Brücke die engste Stelle des ganzen Hochrheins. Bis zum Bau des Kraftwerkes Laufenburg 1908 waren hier die imposantesten Stromschnellen des Hochrheins zu bewundern (Bild 6). Das Flussbett war hier zwischen den Felsen auf 12 bis 13 Meter Breite eingeengt,was zu einem Brückenschlag geradezu aufforderte. Der Wasserspiegel schwankte hier im Jahr bis zu 15 Meter.

Heute überfahren wir diese Stelle mit unserem Schiff problemlos, doch trotz Sprengung der sog. „Laufen“ und der Stauung durch das Kraftwerk sind Wirbel und ein rechter Zug deutlich sicht- und spürbar. Ich war gerade im Steuerhaus, als der Schiffsführer 10 Meter vor der Schleuseneinfahrt dem Jürgen Schroff zurief, dass das Schiff manövrierunfähig sei. „Es geht nichts mehr“, meldet er ihm. Ein Blick in den Maschinenraum zeigte aber nichts Aussergewöhnliches, Motor und Getriebe funktionierten und die Schraube drehte beim Einkuppeln. Nach wenigen Minuten war die „Löwen von Laufenburg“ wieder flott und Jürgen Schroff informierte uns Fahrgäste: „Wir sind auf eine Sandbank gefahren. Eine solche gab es an dieser Stelle seit 15 Jahren noch nie.“ Besondere Strömungsverhältnisse, hervorgerufen durch ungewöhnlich viel Überlaufwasser (um die Schweizer AKWs Strom produzieren zu lassen) führten vermutlich zu diesem bis dicht unter die Wasseroberfläche gebildeten Sandhaufen. Durch Abdrehen und geschicktes Manövrieren konnte das Schiff sich selbstständig aus seiner misslichen Lage befreien. Das Schiff* wurde 1952 in Königswinter/Rhein als letzter Neubau der Werft J. Stauf erstellt und fuhr als Fähre Kriemhild in Königswinter. Es sank 1961 nach einer Havarie und kam nach der Hebung als „Roland“ wieder in Fahrt. Vor dem Verkauf nach Laufenburg verkehrte es als „Stadt Andernach“ bis zum Jahr 2000 bei der Personenschifffahrt Collée.

Bei Rheinkilometer 122 brachte uns nun die Schleuse Laufenburg (Länge 30 m, Breite 12 m, Inhalt 3600 Kubikmeter) beachtliche 10 Meter in die Tiefe. Der Schleusungsvorgang dauerte 20 Minuten – die Mechanik funktioniert in originalem Zustand wie vor 101 Jahren, als die Anlage gebaut wurde. Schroff: „Deshalb geht das so lange“. Wir bestaunten die handgefertigten Steine der Schleusenwände, tausende an der Zahl, einer wie der andere ein handwerkliches Kunstwerk. Oder das genietete Schleusentor, welches mit seinen fünf Metern nur die Hälfte der Ausfahrt frei gibt und damit die Höhe des Fahrgastschiffes bestimmt. Der Schleusenwärter zählt 100 bis 150 Schleusungen im Jahr. Ein Blick zurück zeigt, dass das Maschinenhaus und das Wehr mit vier Öffnungen auf einer Linie stehen. Nebst der Schleuse gibt es noch zwei Fischtreppen. Das Maschinenhaus und die erste Wehröffnung stehen auf der schweizerischen Seite, während der Rest des Wehres und die Schleuse auf deutschem Boden liegen. „Links ist Europa, rechts das Ausland“, kommentiert Schroff schmunzelnd. Das Kraftwerk Laufenburg steht unter Denkmalschutz und ist in der Schweiz als Kulturgut von nationaler Bedeutung deklariert – für uns Teilnehmenden der Fahrt ein nachvollziehbares Verdikt.

Mit an Bord war auch Hans-Peter Schefer, der wie viele im Anschluss an die Reise auf einen erlebnisreichen Tag zurückblickte: „Winterlicher Rhein - warum nicht? Drei Fliegen auf einen Schlag: als Stiftungsrat und Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung zum Betrieb des Dampfschiffes Greif konnte ich die Crew der Schiffs-Agentur persönlich kennen zu lernen, das Dampfschiff Greif einem weiteren Kreis bekannt machen und erst noch geografisches Neuland entdecken. Alle drei Ziele wurden erreicht; es war eine schöne Begegnung in einer angenehmen und gemütlichen Atmosphäre. Ein durchaus gelungener Anlass.“

MS Stadt Laufenburg legt mit Volllast am Schweizer Ufer ab; während der ersten Stunde wird ein Apéro mit einheimischen Rebensaft genossen. An Bord des zweiten Schiffes Löwen von Laufenburg begrüsst Kapitän und Eigner Jürgen Schroff die 30 Gäste der Schiffs-Agentur. Die „Löwen von Laufenburg“ fährt rheinabwärts der Schleuse Laufenburg entgegen, am Steuer Jochen Kistner (die Schleuseneinfahrt erkennt man rechts im Bild). Mit 10 Metern Höhenunterschied ist sie die höchste Schleuse des Hochrheins, eindrücklich sichtbar die von Hand gefertigten Steinblöcke und das genietete Schleusentor aus dem Jahr 1913. Vor der Flutung sah die engste Stelle des Hochrheins mit Stromschellen (= Laufen genannt) imposant aus. Bild im Textteil: Die Schiffs-Agentur machte es möglich, dass im Januar gleich beide Schiffe „aufgedampft“ wurden. Bilder 2 und im Textteil: E. Mischler, Bild 6 siehe Quelle, Text und übrige Bilder H. Amstad

*) Zum Schiff MS Löwen von Laufenburg: Werft J. Stauf Königswinter 1952, Umbau/Verlängerung Rumpf (4 m) 1986, Aufbauverlängerung 2000 (bei Collée Oberwinter), L 23.67 m, B 4.58 m, Tiefgang 0.8 m, 34 t, Mercedes Benz OM 355 (1997) mit 169 kW/200 PS, 75 Passagiere

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